Osterfingen (Switzerland)
Die isolierte Lage Osterfingens in einem Seitental des Klettgaus – im Schpaalt hinne – behinderte die wirtschaftliche Entwicklung. Für das Ortsbild des Strassendorfes mit seinen typischen Schaffhauser Bauerngärten war dies jedoch kein Nachteil. Nicht einer Stadt, die auf einem Berge liegt, sondern eher einem Veilchen, das im Verborgenen blüht, ist diese Gemeinde zu vergleichen, schreibt Pfarrer Hans Huber in der Ortsgeschichte von 1925. Es wird scherzweise erzählt, die Neunkircher seien einmal ausgezogen, um im Walde Laub zu sammeln für ihre Lagerstätten. Einer habe besonders eifrig das dürre Laub zusammengerafft und sei dabei an ein Eisen gestossen; wie er weitergrub, kam eine Kirchturmspitze zum Vorschein und schliesslich ein ganzes Dorf. Das sei die Entdeckung von Osterfingen gewesen. In der Tat ist es ein stiller, abgelegener Ort, abseits von den grossen Verkehrswegen.
Tatsächlich orientierte sich die Osterfinger Bevölkerung ab der frühen Neuzeit weitaus stärker über den Hasenberg nach Neunkirch als über die Flühe nach Wilchingen. Dies war eine direkte Folge der damaligen kirchlichen Zugehörigkeit – Osterfingen wurde, als Besitz des Domkapitels Konstanz, noch vor der Reformation nach Neunkirch kirchgenössig. Ein Indiz dafür, dass dies zur Zeit der Ersterwähnung 912 anders gewesen sein könnte, ist das mit Trasadingen gemeinsame St. Jakobs-Patrozinium.
Auch die 1806 erfolgte kirchliche Ablösung von Neunkirch brachte vorerst keine Neuausrichtung. Erst 1995 entstand die Pastoralgemeinschaft Wilchingen-Osterfingen-Trasadingen. Voraussetzung dazu war das allmähliche politische Zusammenrücken mit Wilchingen, die mit der Rebberg-Zusammenlegung Vorderberg-Flüe 1930 –1932 einen ersten Höhepunkt erlebte und 2005 zur Fusion führte. Vor der Abstimmung hatten Kopf und Herz der Osterfinger heftig gegeneinander gestritten; mittlerweile sind sie wieder in lebenstüchtige Nähe zusammengerückt.
130 Jahre Bevölkerungsschwund
Die Lage abseits einer Durchgangsstrasse war in wirtschaftlicher Hinsicht ein erheblicher Nachteil. Osterfingen konnte im Mittelalter sein Territorium nicht erweitern und musste ab Mitte des 19. Jahrhunderts zahllose ärmere Familien einem ungewissen Schicksal in Brasilien oder Nordamerika überlassen. Während 130 Jahren wies Osterfingen als einzige Schweizer Gemeinde bei jeder Volkszählung eine rückläufige Einwohnerzahl aus; bis 1980 ging diese auf 259 Personen zurück.
Grabungen in Osterfingen-Haafpündte (beim Haus im Rank) in den Jahren 2015 bis 2017 erbrachten mehrere Nutzungsphasen in der Spätbronzezeit (um 1000 v. Chr.), in der Eisenzeit (800 bis 15. v. Chr.) und vereinzelte hochmittelalterliche Befunde. Insbesondere die keltische Siedlung, in grösserer Fläche gegraben und sehr gut erhalten, verdient überregionale Beachtung.
Vor diesem Kontext stellt sich die Frage, warum sich der Alemanne Ostrolf im 5. Jahrhundert mit seiner Gruppe nicht hier niederliess, sondern sich im Hardtal selbst ansiedelte. Nahm er auf eine keltische Restbevölkerung Rücksicht, war ihm das Wangental zu sumpfig, oder war ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis ausschlaggebend, wie Kurt Bächtold 1994 in seiner Ortsgeschichte festhält? Grabungen von 2018/19 im Dorfbereich brachten Siedlungsreste (Grubenhäuser, Pfostenbauten) aus der Zeit um 700. v. Chr. zu Tage.
Das sich zwischen den westlichen Ausläufern des Wannenbergs und des Rossbergs hinziehende Tälchen zog keine konkurrie- renden Siedlergruppen an und war notfalls gut zu verteidigen. Gleichzeitig war es in einer schmalen Talsohle windgeschützt und wies alles auf, was ein kleiner Personenverband zum Überleben benötigte – reichlich Wasser und Wald, dazu auch Land für Ackerbau und Tierhaltung. Der Anbau von Wein an den steilen Hanglagen sowie der Abbau von Eisenerz auf dem Südranden sicherten später einen bescheidenen Wohlstand. Für ein nennenswertes Wachstum war der Platz jedoch zu knapp bemessen.
Vom Bach- zum Strassendorf
Osterfingen entwickelte sich ab dem 14. Jahrhundert als typisches Bachdorf entlang des Haartelbachs, zweigeteilt durch die auf gleichem Niveau stehende Kirche. Zur Erschliessung der Ökonomiegebäude wurde der Bach an verschiedenen Stellen überdeckt. 1867 beschloss die Gemeindeversammlung die schrittweise Überwölbung der offen gebliebenen Stellen – aus hygienischen Gründen und wegen der morastigen Verhältnisse nach stärkeren Regenfällen. Osterfingen wurde zu einem etwa 800 Meter langen Strassendorf, eingebettet zwischen zwei beinahe unverbauten Hängen.
Eher überraschend kommt der Befund einer kantonalen Gebäudeschätzung von 1802: Die Osterfinger Gebäude waren im Durchschnitt mehr als doppelt so viel wert wie jene der Gemeinden ohne nennenswerten Rebbau und selbst 30 Prozent teurer als jene Wilchingens. Zwar erlitten viele Gebäude aufgrund der Erb- teilungen bauliche Eingriffe, doch in ihrer Grundsubstanz blieben sie weitgehend erhalten. Dazu passt, dass die Osterfinger Sorge trugen zu ihren Nutz- und Ziergärten vor den Bauernhäusern so- wie den rückseitig gelegenen Gemüse-, Beeren- und Obstgärten. 2005 konnte im Rahmen des nationalen Projekts «Lebendige Tra- ditionen der Schweiz» der Osterfinger Gartenpfad eröffnet wer- den, an dem sich 30 Familien beteiligen. Dem Rosengarten im «Alten Sternen» ist 2007 ein 130 Aren grosses Duftrosenfeld «Im Staa» mit über 100 verschiedenen Rosen angegliedert worden.
- Osterfinger Bergtrotte
- Reformierte Kirche St. Jakob
- Doppelhof zum Freihof
- Zwillingshöfe am Berg und beim Storchen
- Baugruppe zum Schnecken
- Haus Sonnenburg
- Hof mit Garten/Gartenpfad
- Obere Mühle und Untere Mühle
- Zwillingshöfe zum Ochsen und zum Hirschen